Not Standing in Place
14 beschriebene Monumente
Für «Not Standing in Place» haben wir eine Gruppe internationaler Künstler*innen eingeladen, für das Zürcher Theater Spektakel imaginäre Monumente in Textform zu schaffen. Diese Denkmäler, die alle mit Sprache arbeiten, nehmen unterschiedliche Formen an – von Werbetafeln über dreidimensionale Konstruktionen bis hin zu kleinen Schildern und Bannern.
Unsere Hoffnung war es, dass dieses temporäre Projekt Fragen dazu aufwirft, welchen Erfahrungen, welcher Geschichten und welchem Alltag wir im öffentlichen Raum Aufmerksamkeit zukommen lassen. Wir hatten erwartet, dass Konzepte wie Dauer und Vergänglichkeit oder materielle Präsenz und gesellschaftlicher Wandel verhandelt würden. Im Wesentlichen wollten wir aber den Interessen und Anliegen der eingeladenen Künstler*innen Raum bieten.
Wir schauen mit unterschiedlichen Perspektiven auf dieses Projekt. Vlatka ist im Sozialismus des ehemaligen Jugoslawiens aufgewachsen und lebt jetzt, da dieses Land nicht mehr existiert, als Teil von dessen Diaspora. Diese Erfahrung hat uns darauf sensibilisiert, wie sich soziale und politische Veränderungen in der Öffentlichkeit abspielen. Man denke nur daran, wie Akte des Verleugnens, Entfernens und Ersetzens – von Ideen (und Idealen), Ikonen, Denkmälern und anderen materiellen Zeugnissen – oft für Wandel stehen. In der jüngeren Vergangenheit, etwa im Zuge der Black-Lives-Matter-Proteste, haben sich die Debatten über Denkmäler intensiviert. Dies hat zu verschiedenen Reaktionen geführt (und auch Gräben vertieft), insbesondere in Bezug auf Statuen, die auch für rassistische Ungerechtigkeit, Unterdrückung und koloniale Ausbeutung stehen. Gleichzeitig haben der von populistischen Politiker*innen angeheizte Kulturkrieg und deren Spiel mit Fahnen und Zeichen wie auch die öffentliche Anerkennung von Gesundheitspersonal die Aufmerksamkeit auf den performativen Einsatz von Symbolen im öffentlichen Raum gelenkt.
Wir wollten, dass die hier präsentierten Arbeiten einen spielerischen und lebendigen Raum eröffnen für kollektives Imaginieren und Nachdenken – einen Raum, der Ideen in den Köpfen der Betrachter* innen provoziert. Wir haben versucht unsere Einladungen so zu formulieren, dass das Feld möglichst offen blieb. Die Künstler* innen sollten die Gelegenheit haben, auf Dinge aufmerksam zu machen, die sie betreffen: persönliche Anekdoten oder Interessen, vergessene oder marginalisierte Geschichten, überraschende Ereignisse oder Bilder, gemeinsame Träume oder auch abstrakte Ideen. Die eingeladenen Künstler*innen – Leute aus dem Feld der bildenden Kunst, der Performance oder dem Aktivismus –, haben tatsächlich mit einer unglaublichen Vielfalt an Ideen und Ansätzen Arbeiten für «Not Standing in Place» realisiert.
Im Dialog mit dem Festivalteam haben wir uns früh dazu entschieden, das Projekt remote umzusetzen. Angesichts der globalen Pandemie wie auch der Klimakrise war es uns ein Anliegen, internationale Reisen möglichst zu vermeiden. Wir haben die Künstler* innen gebeten, uns Texte und Anleitungen, wie ihre Arbeiten umgesetzt werden sollen, zukommen zu lassen und haben diese im Dialog vor Ort in Zürich realisieren lassen. Dieser Prozess hat ein grosses Vertrauen bei den teilnehmenden Künstler*innen vorausgesetzt. Dafür möchten wir uns bedanken.
Die internationalen Künstler*innen, deren Monumente auf der Landiwiese realisiert wurden, haben für diese Publikation jeweils einen Text zu ihrer Arbeit verfasst. Wir hoffen, dass Sie sich mit einigen der Ideen, Fragen und Bedenken, die hier versammelt sind, auseinandersetzen können.
Vlatka Horvat & Tim Etchells
DAN PERJOVSCHI
Words are Monuments
Sibiu & Bucharest
Meine rumänischen Landsleute starben 1989 auf der Strasse für die Freiheit. Ich ehre ihr Andenken, indem ich den öffentlichen Raum sehr ernst nehme. Worte sind Denkmäler.
Dan Perjovschi lebt und arbeitet in Bukarest und Sibiu, Rumänien. Zu seinen Einzelausstellungen zählen «Drawing the World» im Ludwig Museum (Aachen, 2021), «Unframed» im Kiasma (Helsinki, 2013), «What Happen to US?» im MoMa (New York City, 2007), «I am not Exotic I am Exhausted» in der Kunsthalle Basel (2007), «The Room Drawing» in der Tate Modern (London, 2006) und «Naked Drawings» im Ludwig Museum (Köln, 2005). Perjovschis Arbeit wurden 2004 mit dem George-Maciunas-Preis und 2016 mit dem Rosa-Schapire-Kunstpreis (Kunsthalle Hamburg) ausgezeichnet.
DREAD SCOTT
Monument to Stranger in the Village
Brooklyn, New York
Heute ehren wir die Fremden im Dorf. Denkmäler sind nicht dauerhaft. Sie dauern an, wenn Ideen in den Köpfen wachsen und ermutigt werden, sich zu verbreiten. «Monument to Stranger in the Village» ist ein lebendes Denkmal. Es ist ein Denkmal für den Essay «Fremder im Dorf». Es ist ein Denkmal für James Baldwin. Es ist ein Denkmal für den Fremden im Dorf.
Dread Scott ist ein interdisziplinärer Künstler, dessen Kunst Betrachter*innen ermutigt, amerikanische Ideale erneut zu hinterfragen. 1989 verbot der US-Senat eine seiner Arbeiten, und Präsident Bush erklärte das Werk wegen der verletzenden Verwendung der amerikanischen Flagge für «schändlich». Seine Arbeiten wurden im Whitney Museum (New York City), MoMA/PS1 (New York City), Walker Art Center (Minneapolis) sowie in Galerien und an Strassenecken ausgestellt. Er wurde 2021 mit einem Stipendium der John Simon Guggenheim Memorial Foundation ausgezeichnet und erhielt davor Stipendien von Open Society Foundations und United States Artists. Die Online-Plattform artnet.com bezeichnet seine Performance «Slave Rebellion Reenactment» aus dem Jahr 2019 als eines der wichtigsten Kunstwerke des Jahrzehnts.
CAROLINE BERGVALL
ShelTer
London
Der grossgeschriebene Buchstabe «T» nimmt in «ShelTer» eine schützende Form an, die nötig ist in dieser Zeit der sozialen und klimatischen Krisen. Die T-Form bildet die Grundlage für Konstruktion und Materialwahl und war Ausgangspunkt des Gedichts auf dieser Seite. Das im Dach der Installation ausgesparte Wort lebt von der Interaktion mit den Elementen, etwa dem Sonnenlicht. Zu bestimmten Tageszeiten ist das Wort als Schattenwurf zu lesen. Wo gibt es Zuflucht? Wo finden wir Schutz?
Caroline Bergvall ist eine international preisgekrönte Künstlerin, Performerin und Autorin. Sie arbeitet interdisziplinär, in unterschiedlichen Medien und Sprachen. In ihren sprachbasierten Werken verwendet sie häufig literarische Formen oder greift diese auf, um heikle historische oder aktuelle Ereignisse zu thematisieren. Ihre Arbeiten, die vielerorts gezeigt wurden, manifestieren sich als Performances, Installationen, Bücher, Grafiken, Audio-Arbeiten und Online-Events.
Under cover of Temporary
shelTer
home wiThout home
uprooT
uprooTed
planeTary
Home is an earTh righT
EarTh is a home righT
When the Trumpets sound
where are The keepers?
—we are The keepers
of The world
of the hearT
of the earTh
of each oTher
HOCK E AYE VI EDGAR HEAP OF BIRDS
Set Indiens Free
Cheyenne & Arapaho Nations, Oklahoma
Der Schweizer Künstler Karl Bodmer reiste 1832 und 1834 mit Prinz Maximilian, einem sogenannten deutschen «Entdecker», den Missouri River entlang durch westliches Stammesgebiet. Bodmer hat viele indigene Einwohner*innen gemalt und dadurch gewissermassen «eingefangen». Von diesen Darstellungen wurden die indigenen Einwohner*innen nie wieder befreit. Im Metropolitan Museum of Art in New York City ist derzeit eine Ausstellung mit Bodmers Drucken und Gemälden zu sehen. Diese Bilder werden bis heute anstelle von authentischen und zeitgenössischen Darstellungen indigener Bürger*innen gezeigt. Auf authentische Selbstdarstellung indigener Bürger*innen verzichtet die USA bis heute gerne, da einmal mehr auf Europäische Sichtweisen zurückgegriffen wird.
Hock E Aye Vi Edgar Heap of Birds ist Künstler und setzt sich für indigene Gemeinschaften weltweit ein. Heap of Birds’ Werk umfasst multidisziplinäre Formen öffentlicher Kunst, grossformatige Zeichnungen, Acrylgemälde, Drucke, Werke aus Glas und monumentale Aussenraum-Skulpturen aus Porzellan, Kunstharzlack und Stahl. Während Heap of Birds indigene Gemeinschaften repräsentiert, konzentriert sich seine Kunst inhaltlich auf soziale Gerechtigkeit und auf das Recht, innerhalb einer Gemeinschaft als freies und selbstbestimmtes Individuum leben zu dürfen. Die Arbeiten von Heap of Birds wurden in renommierten Institutionen weltweit ausgestellt, darunter das MoMA (New York City), das Site Santa Fe Museum (New Mexico), die Documenta (Kassel) und die Biennale von Venedig 2007. Zudem sind Werke aus Heap of Birds’ OEuvre in den Sammlungen zahlreicher Museen vertreten, darunter das Whitney Museum (New York City), das Walker Art Center (Minneapolis) und das Smithsonian Institution (Washington).
KATRINA PALMER
Black Text: A Covert Physical Manifestation in the Discursive Field
London
«Black Text» zeigt die Titelseite eines Buches. Die Worte und das Layout schreiben das Werk der Autorin/Herausgeberin namens «Palmer» zu. Dieser Name erscheint anstelle des afrikanischen Namens der Autorin/Herausgeberin, der im Zuge des transatlantischen Sklavenhandels ausgelöscht wurde.
Katrina Palmers Werk besteht aus textbasierten Skulpturen, Audioarbeiten und sprachbasierten Performances. Objekte, Körper und Stimmen scheinen dabei in immer neue Beziehungen im sozialen Raum auf. Folgende Arbeiten Palmers wurden jüngst präsentiert: «The Coffin Jump» im Yorkshire Sculpture Park (2018), «The Necropolitan Line» im Henry Moore Institute (Leeds, 2015), «End Matter» im Rahmen von Artangel (London, 2015) und «Hello and Retreat» im Rahmen von England’s Creative Coast (Essex, 2021). Palmer wurde 2014 mit dem Paul Hamlyn Award for Artists ausgezeichnet. Sie unterrichtet an der Ruskin School of Art und lebt in London.
TANIA EL KHOURY
They Knew
Beirut & Red Hook, New York
Der Libanon durchlebt zurzeit mehrere humanitäre und wirtschaftliche Krisen, die alle von einer korrupten und gierigen politischen und wirtschaftlichen Elite verursacht wurden. «They Knew» ist eine Reaktion auf die fehlende Rechenschaftspflicht dieser Eliten – mit Blick auf die verheerende Explosion im Hafen von Beirut im August 2020, genauso wie auf die aktuelle Wirtschaftskrise. Die Arbeit thematisiert die illegale Ausfuhr von Geld kurz vor der Währungsabwertung. Ein grosser Teil dieses (unseres) Geldes landete auf Schweizer Bankkonten. «They Knew» verweist auch auf das Wissen der Regierung um die Existenz des hochexplosiven Materials, das illegal im Hafen Beiruts gelagert wurde. Nach der Explosion tauchte ein Graffiti auf, das übermalt wurde und dann erneut auftauchte. Dieses lautet: «Meine Regierung hat das getan.»
Tania El Khoury ist Performancekünstlerin. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit der Interaktivität des Publikums und dem dabei vorhandenen politischen Potenzial. Sie leitet das Center for Human Rights & the Arts am Bard College in New York. Tania El Khoury ist Mitbegründerin des in Beirut ansässigen Performanceund Urbanistik-Forschungskollektiv Dictaphone Group. Sie wurde mit dem Bessie Award, dem International Live Art Prize, dem Total Theatre Innovations Award und dem Arches Brick Award ausgezeichnet.
SHARON HAYES
Come Out Come Out
Philadelphia, Pennsylvania
«Come Out Come Out» ist ein Gedankenspiel mit der Zeit und dem Zurückbleiben – sowohl physisch als auch zeitlich. Die beiden Slogans «Come out, come out where you are» und «An Army of Lovers Cannot Lose» stammen aus Bildern von Protesten während des kurzlebigen Gay Liberation Movements (1969–73). Ich betrachte Protest als Grammatik genauso wie als Aktion. Auf diese Weise sehe ich Protest als zusammengesetzt aus sprachlichen, choreografischen, kompositorischen, politischen und emotionalen Elementen. Die Protestschilder und -banner haben eine ganz eigene Zeitlichkeit: Sie vereinen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In dieser Arbeit möchte ich einen Moment schaffen, um «hinter» Protestbanner zu blicken – ein möglicher und unmöglicher Ort. Dieser «Ort» interessiert mich. Ebenso interessiert es mich, die Direktheit und die Annahmen einer transparenten Faktizität des Genres der Monumentalität ein wenig aufzubrechen.
Sharon Hayes ist eine Künstlerin, die mit Video, Performance, Sound und Skulptur im öffentlichen Raum arbeitet. Mit ihrer Arbeit will sie Schnittmengen zwischen Geschichte, Politik und Sprache erkunden, eindimensionale historische Narrative auflösen und schlummernde Ideen auf ein Neues entzünden – und damit gegenseitiges Verständnis in aktuellen politischen Diskussionen zu schaffen. In ihrer Arbeit insistiert sie auf Grammatiken – sprachlich, affektiv und klanglich –, durch die sich politischer Widerstand zeigt.
SEASON BUTLER
Quid Pro Quo
London & Berlin
«Quid Pro Quo» befasst sich mit der Schönheit und den Widersprüchen des sozialen Lebens von Schwarzen Menschen sowie den Bedingungen und Folgen ihres sozialen Todes. Der Gleichung ist eine einfache: Ihr tötet uns, wir verfolgen euch.
Season Butler lebt zwischen London und Berlin und ist als Autorin, Künstlerin und Dramaturgin tätig. Sie beschäftigt sich unter anderem mit Jugend und Alter, Einsamkeit und Gemeinschaft, dem Aushandeln von Hoffnung und damit, was es heisst, einer zusehends tückischeren Zukunft zu begegnen. Ihre jüngsten Arbeiten wurden im Baltic Centre, in der Tate Exchange und im Lettischen Zentrum für zeitgenössische Kunst gezeigt. Ihr Debütroman «Cygnet» erschien 2019 und wurde 2020 mit einem Writers’ Guild Award als bester Debütroman ausgezeichnet.
AHMET ÖĞÜT
No Emotional Abuse Monument
Amsterdam & Istanbul
No Orbiting Zone
*the practice of someone stopping communicating with you in real life but continuing to engage with your social media posts.
No Catfishing Zone
*the practice of someone misrepresenting themselves in a significant way.
No Gaslighting Zone
*the practice of someone trying to get you to question your own reality and judgement.
No Ghosting Zone
*the practice of someone cutting you off and cutting you out.
No Benching Zone
*the practice of someone keeping both you and your relationship hidden.
No Breadcrumbing Zone
*the practice of someone sending out flirtatious, but non-committal social signals.
Ahmet Öğüt, der 1981 in Silvan, Diyarbakir geboren wurde, hat unter anderem in der Kunsthal Charlottenborg (Kopenhagen), der Chisenhale Gallery (London) und dem Van Abbemuseum (Eindhoven) Einzelausstellungen realisiert. Zudem wurden seine Arbeiten im Rahmen zahlreicher Gruppenausstellungen präsentiert, darunter Asia Society Triennial (New York City), Echigo-Tsumari Art Triennale (Niigata), British Art Show 8 (Leeds, Edinburgh, Norwich und Southampton), 13. Biennale de Lyon, Performa 13 (New York City), 7. Liverpool Biennale, 12. Istanbul Biennale, New Museum Triennale (New York City) und 5. Berlin Biennale. Zusammen mit Banu Cennetoğlu vertrat er die Türkei bei der 53. Biennale von Venedig.
HARUN MORRISON
How to Do Things with Non-Words
UK waterways
Über eine Ausgabe des «Journal of British Language and Communication Disorders», die meiner Schwester, einer Logopädin, gehörte, bin ich auf «non-words» aufmerksam geworden. Die Publikation enthielt eine Tabelle mit 40 Paaren von Nichtwörtern mit zunehmender Komplexität. Diese Tabelle wurde nun auf ein Plakat vergrössert. Begleitet wird das Plakat von der Stimme der Zürcher Künstlerin und Musikerin Lea Rüegg, die die Worte singt. Logopäd*innen verwenden Nichtwörter als diagnostisches Werkzeug, um Sprachkenntnisse – insbesondere die Fähigkeit zur phonetischen Entschlüsselung – zu messen. Nicht-Wörter folgen der typischen Struktur eines Wortes in einer bestimmten Sprache, existieren aber nicht. Die getestete Person kann sich nicht auf Vorwissen und andere soziale Faktoren verlassen. Der Titel der Arbeit nimmt den Text «How to Do Things with Words» (1955/1962) des Sprachphilosophen J.L. Austin auf die Schippe.
Harun Morrison ist ein Künstler und Schriftsteller. Er lebt auf einem Hausboot, mit dem er britische Gewässer durchquert. Sein Roman «The Escape Artist» erscheint 2022 bei Bookworks.
PETER LIVERSIDGE
I Propose That We Should Walk Together
London
Ich wollte eine Arbeit realisieren, die potenzielle Interaktionen mit einem Publikum aufzeigt. Ursprünglich sollte der Text auf Poster gedruckt werden, die in einer Galerie zum Mitnehmen angeboten werden – ein Stapel auf dem Boden sollte es sein. Die Besucher* innen wären dazu eingeladen gewesen, die Poster mitzunehmen – die Arbeit also aus der Ausstellung zu entfernen. Das wäre nicht nur als Geste, sondern als Einladung, Teil einer Performance zu sein, zu verstehen gewesen.
Was wäre, wenn der Satz nun auf einer Plakatwand stünde? Was wäre, wenn das Mitnehmen nur gedanklich, in der Vorstellung geschehen würde? Das könnte unterschiedlich interpretiert werden – als kollektive Aktion, als romantische Geste oder als physischer Akt; aber in welche Richtung und wozu?
Vielleicht ist es als Einladung zu verstehen, über andere nachzudenken, Empathie, Unterstützung und Engagement zu zeigen, gegenüber jenen, die man kennt und jenen, die man noch nicht kennengelernt hat.
Peter Liversidge lebt und arbeitet in London. Er hat unter anderem die folgenden Ausstellungen realisiert: «Sign Paintings for Belfast» im The Mac (Belfast, 2020), «Out/Exit Piece» im Jupiter Artland (Edinburgh, 2020), «Working Title II» in der Bonniers Konsthall (Stockholm, 2018), «The Bridge (A Choral Piece for Tate Modern)» (2016) und «Notes on Protesting» in der Whitechapel Gallery (London, 2015).
SCHWAR ZENBACH KOMPL EX (KONZEPT: DAPHNE KOKKINI)
BLICKWECHSEL
Zürich
Wir leben in turbulenten Zeiten. «Blickwechsel» lenkt unsere Perspektive auf machtvolle migrationspolitische Diskurse und Materialitäten, welche die Schweizer Gesellschaft seit Generationen prägen; insbesondere auf Wörter, die unser Zugehörigkeitsgefühl rahmen. Die Dekonstruktion und Neuordnung von bürokratischen Begriffen und Euphemismen symbolisiert die Last einer traumatischen Vergangenheit und eröffnet neue Perspektiven für die Zukunft.
«Blickwechsel» ist Teil des interdisziplinären Projektes Schwar zenbach Kompl ex, das eine neue vielstimmige Erinnerungspolitik zu Migration, Rassismus und Widerstand stärken möchte. Die Installation ist eingebettet in eine kollektive Recherche zu Arbeitsmigrant* innen in der Schweiz – sogenannten «Saisonniers» –, zu ausschliessenden gesetzlichen Regulierungen, Wohnbedingungen in Kasernensiedlungen, illegalisierten Familien und versteckten Kindern.
Daphne Kokkini ist Architektin und bildende Künstlerin mit Sitz in Zürich. Ihre Projekte sind in verschiedenen Feldern anzusiedeln – von Landschaftsdesign und Städtebau bis hin zu ortsspezifischer Installation, Szenografie, Film und Performance. Ihre Arbeiten versteht sie als Narrative, die sich aus Beobachtungen von Orten, Menschen und dem, was dazwischen liegt, ergeben.
ANNE BEAN
RORRIM
London
1970 stellte ich für eine Performance einen Spiegel auf. Wenn eine Person durch die Tür kam, konnte sie mich sofort im Spiegel sehen und ebenso konnte ich sie sehen. So konnten die Person und ich nur über unsere Reflexionen kommunizieren. Der Philosoph Michel Foucault beschrieb mit dem Konzept der Heterotopie Räume, die «anders» sind: verstörend, intensiv, widersprüchlich, unvereinbar oder transformierend. Die Heterotopie des Spiegels verstand er als einen «ortlosen Ort», der real ist und mit dem ihn umgebenden realen Raum in Beziehung steht, und gleichzeitig unwirklich, ein virtuelles Bild erzeugend.
In «Self Etc.», einer 2018 erschienenen Monographie über das Werk von Anne Bean, schrieb der Schriftsteller Dominic Johnson: «Anne Bean ist eine anerkannte internationale Persönlichkeit, die seit den 1960er Jahren aktiv arbeitet. Die Kunst von Anne Bean verfremdet unser Gefühl für Zeit, Erinnerung, Sprache, Körper und Identität, insbesondere durch Solo- und kollaborative Performances. Dabei bewegt sie sich in einem lebendigen Kontinuum zwischen Kunst und Leben.»
DAVID HORVITZ
watching you become the sunset
Los Angeles, California
Verspielt und poetisch mischen sich die Werke von David Horvitz in die Systeme von Sprache, Zeit und Netzwerken, mit rasenden Zoom-Anrufen und Bildern, die über Bildschirme übertragen werden. Die Arbeit des Ozeanromantikers mit Sitz in Los Angeles, Kalifornien, kennt keine Kategorisierung: Sein umfangreiches nomadisches OEuvre umfasst Fotografie, Mund-zu-Mund-Propaganda, Bewegung im physischen Raum, Künstler*innenbücher, Performances, Memes, Mail Art, Klang, Stempel, Gastronomie, Wetter, Reisen, Spaziergänge und Aquarelle. Horvitz interessiert sich für die Distanz zwischen Orten, Menschen und Zeit, um die Möglichkeiten auszuloten, sich diese anzueignen, zu untergraben oder sogar zu überwinden. Seine Werke, die mal im Postsystem, mal in Bibliotheken, mal am Lost-and-Found-Schalter eines Flughafens auftauchen, lenken unsere Aufmerksamkeit auf das Unendliche, auf das Finden von Schlupflöchern, auf alternative Logiken, auf die winzigen, aber wichtigen Details und das Imaginäre. Bei Horvitz ist Kunst sowohl Kontemplation wie auch virales oder systemisches Werkzeug, um Veränderungen im Persönlichen herbeizurufen – wie Schlummerlieder, die sich in unseren Köpfen einprägen. David Horvitz kreiert Fiktionen, die sich heimlich in die Realität einschleichen. Kieselsteine, da in steter Bewegung, haben naturgegeben oft eine matte Oberfläche.
Vlatka Horvat & Tim Etchells
Vlatka Horvat und Tim Etchells haben beide vielfältige künstlerische Praxen, die sich zwischen verschiedenen Formen bewegen – von Skulptur, Installation und Performance bis hin zu Zeichnung, Fotografie und Video. Neben ihren individuellen Praxen verbindet die beiden Kunstschaffenden seit 20 Jahren eine enge Zusammenarbeit, in deren Rahmen sie verschiedene Projekte und Initiativen umgesetzt haben.
Führungen / Guided Tours
Yara Dulac Gisler und Phil Hayes führen an sechs Abenden durch die Monumente. Weitere Informationen gibt es hier
Dank
«Not Standing in Place» wird unterstützt durch die Fachstelle Kultur des Kantons Zürich, die Ernst Göhner Stiftung und die Max Kohler Stiftung