Begründung der Jury

ZKB FÖRDERPREIS 2021: Mallika Taneja «Allegedly»

«Nachdem wir anderthalb Jahre vor allem im Internet verbracht hatten, ohne haptische Kontakte mit Menschen ausserhalb unserer Bubbles, war es endlich an der Zeit, wieder gemeinsam Live-Performances zu erleben und zu geniessen. Daher war es seltsam, sich an einem schönen Sommerabend in Zürich vor den Computerbildschirm zu setzen. Und es war eine grosse Überraschung, als wir dort in den Bann einer Zoom-Performance gezogen wurden, die unsere Aufmerksamkeit anderthalb Stunden lang fest im Griff hatte. 

Mallika Taneja hat das Unmögliche möglich gemacht. Sie setzte das neue Medium kraftvoll und beispielhaft ein, um eine wichtige Botschaft in die Welt zu tragen. Sie fand einen perfekten intimen Rahmen, um die dringenden Themen der sexuellen Belästigung, der Vergewaltigung und des sexuellen Einverständnisses auf sensible und sorgfältige Weise zu verhandeln. Wir waren beeindruckt vom künstlerischen Einfallsreichtum, der dialogischen Erzählweise und dem nuancierten Text, der eine Vielzahl starker Stimmen vereint. Thema und Situation sind gut gewählt, sodass sich eine komplexe, nicht allzu einfache und gewöhnliche Geschichte entspinnt. Der geschickte Einsatz des Umfrage-Tools zur Interaktion mit dem Publikum, über welches nur scheinbar einfache Ja- und Nein-Fragen gestellt werden, bringt uns ins Grübeln über schwierige Antworten und erlaubt es zugleich, uns mit anderen zu verbinden und ein Gespür für den geteilten (virtuellen) Raum zu entwickeln. 

‹Allegedly› ist formal und inhaltlich bemerkenswert. Darüber hinaus sind die Frauen ein Risiko eingegangen, als sie dieses Thema zu diesem Zeitpunkt künstlerisch darzustellen versuchten. Sie bieten der Welt einen wichtigen Beitrag über Mut und Solidarität an, indem sie Worte, die Vergewaltigung und sexuelle Belästigung in unseren Gesellschaften umgeben, in schmerzhaften Details untersuchten und studierten. Das Stück ist handwerklich und darstellerisch hervorragend umgesetzt und lässt die charismatischen Darstellerinnen glänzen, die nicht nur schöne Bilder, sondern auch ein genaues Timing und eine meisterhafte Dramaturgie umsetzen. 

Nicht zuletzt möchten wir Mallika Taneja für ihre kreative Dringlichkeit loben, die sie dazu veranlasst hat, inmitten einer künstlerisch wenig berauschenden Pandemie dieses ansprechende, zugängliche und notwendige Stück zu schaffen.»

ZKB ANERKENNUNGSPREIS 2021: Edna Jaime «O Bom Combate (The Good Fight)»

«Die grossartige Edna Jaime hat unsere Aufmerksamkeit erregt, indem sie mit Codes bricht und traditionellen afrikanischen Tanz in neue Dimensionen überführt. Als Initiatorin und Anführerin von ‹O Bom Combate (The Good Fight)› lädt sie einen Mann ein, sich auf der Bühne mit ihr zu verbünden. Gemeinsam begeben die beiden sich in eine eindringliche Reflexion über Themen wie Arbeitnehmer*innenrechte, Korruption in der Regierung, Umverteilung von Geld, das Verhältnis zwischen Körper und Staat.

Der kraftvolle Beginn der Performance stellt Jaimes Stimme buchstäblich ins Rampenlicht. Als Soldatin des guten Kampfes stellt sie die Kunst des Kampfes mit verschiedenen Mitteln dar, vor allem aber mit ihrer eigenen Bewegung.

‹O Bom Combate (The Good Fight)› wirft einen Blick in die Vergangenheit, stellt sich der Gegenwart und eröffnet die Hoffnung auf eine bessere und gleichberechtigte Zukunft. Jaime rebelliert gegen Machtstrukturen, indem sie diese im Rahmen ihres Stücks umkehrt und damit verkörpert und demonstriert, wie diese Zukunft aussehen könnte. 

Wir freuen uns, Edna Jaimes Wirkungspotenziale in den afrikanischen Performing Arts und darüber hinaus zu unterstützen, ebenso wie ihre Fähigkeit, trotz prekärer Umstände, die ebenfalls ein Thema dieses Stücks sind, wirkungsstarke Werke zu schaffen.»