Mapa Teatro: La Balsada

Zürichsee, 2021

 

In der kolumbianischen Gemeinde Guapi finden jedes Jahr im Dezember Feierlichkeiten zu Ehren von Marias unbefleckter Empfängnis («Vírgen de la Inmaculada Concepción») statt. Diese Feierlichkeiten beginnen mit einer Floss-Parade, der «Balsada», im Fluss Guapi. Ein weiteres Ritual ist die katholische Ehrung der unschuldigen Heiligen am 28. Dezember. In Guapi wird mit dem Fest «Los Santos Inocentes» den Opfern von Sklaverei, Rassismus und Gewalt gedacht, welche die afro-kolumbianische Bevölkerung an der kolumbianischen Pazifikküste seit Jahrhunderten zu beklagen hat. Vor dem Hintergrund der Gewalt der Kolonialzeit sowie der Gewalt des heutigen Rauschgifthandels bietet das karnevaleske Fest Raum für performative Transgressionen von race (bspw. durch weisse Masken), Geschlecht (Männer in Frauenkleidung) und Klasse (die Peitsche der Herrschenden in den Händen der Sklaven). Es ist eine rituelle Beschwörung des Lebens, ein Aufmarsch der Körper, die sich unter dem Deckmantel des Festes gegen die verschiedenen Formen der Invasion, Kolonisierung und Ausbeutung ihrer Kultur und ihres Landes wehren.

Das Kollektiv Mapa Teatro lässt mit der performativen Geste «La Balsada» am Zürichsee Erinnerungen an dieses ambivalente Fest aufleben, mit Objekten, Klängen und Bildern, die auf einen Besuch in Guapi im Jahr 2009 zurückzuführen sind.

 

«Ich wurde am 28. Dezember geboren, am katholischen Gedenktag der ‹unschuldigen Heiligen›. Seit ich mich erinnern kann, habe ich über diesen Tag nur Schabernack, Lügen und haarsträubende Grabgeschichten gehört. Es gab eine Zeit, während der mir mein Geburtstag völlig egal geworden war. Aber am 28. Dezember 2009 beschloss ich, diesen Tag in Guapi zu verbringen, einer Stadt an der kolumbianischen Pazifikküste. Jedes Jahr am 28. Dezember wird dort der Tag der ‹Santos Inocentes› gefeiert. Ein Fest, von dem ich zuvor nichts wusste.

In Guapi bin ich im städtischen Hotel untergekommen. Auf der dritten Etage war auch die Polizei untergebracht. Das Frühstück nahm ich im Hotel ein. Die Polizisten der Nachtschicht kamen in kurzen Hosen, T-Shirts und Flip-Flops in den Speisesaal. Sie trugen ihre Maschinengewehre auf der Brust. Was macht die Polizei hier, fragte ich mich? Warum übernachten sie in diesem Hotel?

Es ist noch früh. Ich schaue aus der Tür, aber es ist noch niemand auf der Strasse. Die Rezeptionistin sagt mir, ich solle lieber nicht hinausgehen. ‹Sie können die Feier von drinnen aus beobachten›, sagt sie. ‹Durch das Fenster.› […] Ich gehe hoch in mein Zimmer mit der Nummer 219. Ich öffne die Tür. Es ist höllisch heiss. Ich lasse mich auf das Bett fallen und schlafe ein. Ich habe einen Traum…»

– Tagebucheintrag Heidi Abderhalden, Guapi 2009